Die Superheros der Möbelbranche.
Fast jeder macht im Laufe seines Berufslebens mit ihnen Bekanntschaft. Meist jedoch ohne, dass wir uns dessen wirklich bewusst sind. Sie agieren im Hintergrund und sind dennoch für den Erfolg unserer Arbeit indirekt mitverantwortlich. Ihre Superkräfte heißen Ergonomieberatung, Lichtplanung, Akustikberatung und 3D-Raumplanung: Deutschlands Büroausstatter.
nuwo-Academy – Lisa Rosa Bräutigam, Gründerin von nuwo, im Gespräch mit Jochen Wagner, Geschäftsführer von KAHL Büroeinrichtungen in Mannheim.
Lisa: Täglich sitzen wir mehr als 8 Stunden auf unserem Bürostuhl – wenn wir Glück haben, stammt er von einem Büroausstatter. Heute bin ich im Gespräch mit Jochen Wagner, Geschäftsführer unseres Mannheimer Partnerhändlers KAHL Büroeinrichtungen, um mehr über diese eher unbekannte Branche zu erfahren. Jochen, euch gibt es nun bereits seit über 50 Jahren: COVID hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Bedeutet diese Entwicklung das Ende des Großraumbüros?
Dazu ist es vielleicht einleitend wichtig, den Begriff Großraumbüro zunächst einmal zu definieren. Von der rechtlichen Seite aus betrachtet, muss ein Raum mindestens 400 m2 groß sein, um sich überhaupt Großraum nennen zu dürfen. In dieser Hinsicht zahlt Corona gewiss darauf ein, dass die Ultra-Großflächenkonzepte nun ihre Probleme bekommen. Aber nicht, weil ihnen so viel Fläche zugrunde liegt, sondern weil die Art und Weise der Nutzung ein fragwürdiger Ansatz war: In den letzten Jahren vor Corona wurde eine Tendenz am Markt immer stärker spürbar, nämlich der Versuch, auf immer weniger Fläche immer mehr Menschen bei der Arbeit zu verdichten. Corona verlangt nun das genaue Gegenteil:
»Abstand ist ein knallhartes Kriterium geworden.«
Ich bin mir sicher, dass sich diese Uhr nicht mehr vollends zurückdrehen lässt. Menschen wollen räumliche Freiheit um sich herum erleben können, um sich wohlzufühlen – auch nach Corona. Deshalb wird es die Nutzung von Großräumen im Sinne einer maximal dichten Bespielung in großen Gruppen in Zukunft schwer haben. Das heißt aber nicht, dass ein Raum nur, weil er groß ist, für eine gute Nutzung auszuschließen ist.
Welche Anforderungen muss Bürofläche erfüllen, um zukunftsfähig zu sein?
Wir erleben momentan mehrere Effekte, die ineinander laufen. Denken wir uns Corona für einen Moment weg. Wir finden in jedem Unternehmen, sofern es eine gewisse Größe hinsichtlich der Mitarbeitendenzahl hat, typischerweise zunächst einmal eins: Bis zu vier Generationen unter einem Dach bei der Arbeit. Die Brüche zwischen diesen Generationen sind sehr groß, was die Traditionen, die Wünsche, die Anforderungen angeht, und verlangen damit allen Beteiligten einen riesigen Spagat ab. Daher ist die zukunftsfähige Fläche zunächst einmal eine, die auf das Thema Flexibilität einzahlt und die ein breites Angebot bereithält, sodass der Traditionalist genauso seine Ecke finden kann wie der Progressive.
»Viele Firmen setzen in Zukunft verstärkt auf hybrides Arbeiten.«
Daher muss Bürofläche von morgen, vor allem auch was die interne Struktur anbelangt, so aufzustellen sein, dass sie Präsenzzeit und Remote Working gut miteinander zu kombinieren vermag. Es macht perspektivisch wenig Sinn, einen traditionellen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, der für die isolierte Konzentrationsarbeit prädestiniert ist. Das wird in einigen Fällen noch notwendig sein, ist aber stark auf dem Rückzug. Denn um konzentriert eine Mail zu schreiben, braucht heute wirklich niemand mehr ins Büro zu gehen. Die Fläche muss andere Themen bedienen und sie muss sie so gut bedienen, dass für die Mitarbeitenden vollkommen klar ist, es lohnt sich den Weg ins Büro anzutreten, weil ich dort mit dem, was mir an Möglichkeiten gegeben wird, auch einen wirklichen Mehrwert finde – und zwar gegenüber jedem anderen Arbeitsort. Darauf wird es also im Wesentlichen hinauslaufen, auf eine enorme Spreizung und eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten.
Die Arbeitswelt steht an einer Trendwende – brauchen Unternehmen von morgen überhaupt noch ein Büro?
Das wird differenziert zu beantworten sein. In der großen Mehrheit mit Sicherheit ja. Was Unternehmen nicht brauchen, sind schlechte Büros. Hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Wir sprachen ja bereits schon von den Qualitätsanforderungen an Büros von morgen, um attraktiv zu sein und um als Werkzeug für die Mitarbeitenden gut zu funktionieren. Aber man darf eines nicht außer Acht lassen: Der gemeinsame Ort – und das ist nun einmal traditionell das Büro – ist die einzige Möglichkeit, Firmenkultur zu etablieren.
»Ich kann die DNA einer Firma an zukünftige Talente nicht per Kamera und Display weitergeben.«
Wie komme ich an gute Leute, wie binde ich sie und wie kann ich sie mental auf das einstellen, was das Unternehmen ausmacht: Genau dafür braucht es den gemeinsamen Hochqualitätsort und das ist auch zukünftig das Büro.
Du hast das hybride Arbeiten angesprochen, also eine Mischform aus dem Arbeiten in einem qualitativ hochwertigen Büro und dem Arbeiten von zu Hause aus. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: KAHL oder IKEA, was darf’s denn zu Hause sein?
Im Kernansatz sehen wir uns als denjenigen, der die professionell bessere Lösung bietet. Das kann aber gerne mit IKEA ergänzt werden. Wir haben in dieser Hinsicht keinerlei Berührungsängste, denn wir glauben, dass wir in unserem jeweiligen Kompetenzbereich die jeweils besseren Angebote machen. IKEA hat ein großes Spektrum von Themen, die man zu Hause ganz wunderbar verwenden kann, in diesen Bereichen ist diese Firma ultraprofessionell. Stellen wir uns die Frage, was es eigentlich braucht, damit ein Arbeitsplatz auch zu Hause gewissen Kriterien entspricht, ist die Sache jedoch differenziert zu sehen.
Die Kriterien für einen Arbeitsplatz sind einerseits von gesetzlicher Seite aus gegeben, was einigen noch immer nicht klar ist. Sie müssen aber andererseits auch auf die zu erledigende Arbeit maximal gut übertragen werden. Der Arbeitsplatz also als Werkzeug, als Tool für die Mitarbeitenden. Und in dieser Hinsicht haben wir als Büroausstatter natürlich eine Kompetenz im Haus, die über das einfache Möbelverteilen hinausgeht, da zunächst einmal die Frage zu klären ist: Was ist denn generell das richtige, das professionell gute Werkzeug, das auch zu Hause funktionieren wird? Hier unterscheiden wir uns im Ansatz generell von einer IKEA.
Woran erkenne ich denn qualitativ hochwertige Büromöbel?
Das ist für einen Außenstehenden, der sich selten mit der Materie beschäftigt, zunächst einmal schwierig. Natürlich reklamiert jeder Hersteller für sich die Premium-Position, was auch vollkommen verständlich ist. Man muss verschiedene Aspekte voneinander unabhängig betrachten:
Wir haben einmal die reine Produktebene, hier wird beispielsweise bereits die Anfassqualität direkt erlebbar. Das allein genügt jedoch nicht, um ein Produkt ein gutes Produkt nennen zu können. Es braucht die Einbettung in einen Gesamtkontext. So haben wir ein großes Problem damit, Billigware aus fragwürdigen Produktionen an unsere Kund:innen weiterzugeben. Wir halten auch nichts davon, irgendwelche Standardbauteile für ein Möbel über den halben Erdball zu transportieren.
Weiter geht es mit der Frage, welche Zertifizierungen das jeweilige Produkt hat. Auch hier wird der Unterschied schnell deutlich zwischen denen, die nur ein Möbelstück anbieten, und Herstellern, die ihre Hausaufgaben zu Ende gemacht haben. Das geht bis in Themen wie etwa die Frage, welche Qualitätsprüfungen durchläuft ein Produkt, um einen möglichst langen und gefahrlosen Betrieb zu gewährleisten. Auch hier können wir unsere tieferen Erkenntnisse einbringen und unsere Kund:innen an die Hand nehmen
»Wenn es an diesen Stellen mangelt, merkt es ein:e Kund:in vielleicht erst Jahre später, aber dann äußerst schmerzhaft. Dies können wir mit qualitativen Ausstattungen verhindern!«
Du sprichst gerade das Thema Ergonomie an. Es gibt zahlreiche Studien, die beweisen, dass jeder Euro, der in ergonomische Ausstattungen gesteckt wird, zurückkommt. Das heißt, sich durch die Vermeidung von Arbeitsausfällen und krankheitsbedingten Folgekosten, reinvestiert. Wieso fällt dieses Thema, dennoch so oft unter den Tisch?
Das hat ganz viele Gründe, aber ein ganz banaler ist zum Beispiel, dass die Gesundheitsfolgekosten einer schlechten Ausstattung auf einer anderen Kostenstelle landen als die Ausgaben für ein vernünftiges Möbelkonzept. Teilweise ist es tatsächlich so einfach. Kranke Mitarbeitende, deren Gehaltsfortzahlung zu leisten ist, landen auf dem Lohnkonto und eben nicht in der Investition. Schon damit haben wir eine der maßgeblichen Ursachen, weshalb selbst deutsche Büros zum Teil so unterirdisch ausgestattet sind.
Zudem werden heute Neuausstattungsvorhaben noch immer häufig so begonnen, dass Kund:innen noch gar nicht wissen, was sie genau möchten und benötigen, aber bereits ein festes Budget vordefiniert haben, was das Ganze kosten soll und darf. Oftmals ist jedoch erst im Prozess ermittelbar, was benötigt wird, um Arbeit ideal zu ermöglichen. Ist das vorgegebene Budget dann vielleicht doch zu niedrig angesetzt, müsste man das Thema noch einmal komplett aufrollen und sich vielleicht als Verantwortliche Person von Chef:innen unangenehme Fragen gefallen lassen.
nuwo bietet Unternehmen ein breites Portfolio an Finanzierungsmöglichkeiten wie beispielsweise Leasing oder Mietkauf und ist damit noch Vorreiter in eurer Branche. Wie schätzt du die weitere Entwicklung in dieser Hinsicht ein?
Leasing- und Mietkaufmodelle werden in jedem Fall in zunehmendem Maße eine wichtige Rolle im Finanzierungsportfolio spielen. Es gibt die Traditionalisten, die sagen: Wir kaufen die Ausstattungen und möchten diese auch in der Bilanz wiederfinden. Dann stehen Unternehmen jedoch in der Pflicht, diese über 13 Jahre abzuschreiben, da sie mit Büromöbeln natürlich häufig über der GWG-Grenze liegen. Und das ist in jedem Fall ein Indikator, der überdeutlich macht, es dreht sich etwas am Markt. Denn ein Planungshorizont von 13 Jahren, den hat heute niemand mehr, wir sind teilweise froh, wenn wir mit unseren Prognoseradien einen Zeitraum von 3 Jahren halbwegs gut abdecken können.
Dies ist genau der springende Punkt, der Unternehmen nach Lösungen suchen lässt, die ihnen einen kürzeren Planungszyklus gewähren – ganz unabhängig von der Frage, ob diese eigen- oder fremdfinanziert sind. Und genau hier kann die Leasing-Komponente eine sehr interessante sein.