Wenn Heimarbeit krank macht: Ist Sitzen das neue Rauchen?
Rückenprobleme zählen in Deutschland zu den Volkskrankheiten, für Büromitarbeitende ist der Leidensdruck besonders hoch. Rund 80.000 Stunden verbringen deutsche Angestellte im Bürobereich sitzend – momentan bis auf unbestimmte Zeit im Homeoffice.
In regelmäßigen Abständen berechnet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die volkswirtschaftlichen Kosten infolge von Arbeitsunfähigkeit. Im Jahr 2018 waren die Erwerbstätigen im Durchschnitt 17,4 Tage krank. Der daraus resultierende volkswirtschaftliche Schaden ist enorm: Allein 2018 entstand so ein durchschnittlicher Produktionsausfall von € 2081 und ein Bruttowertschöpfungsausfall von € 3561 pro Arbeitnehmendem [1].
»Schlüssel zur Gesundheit am Arbeitsplatz sind Bewegung und ergonomisches Sitzen.«
Die Hauptursache für krankheitsbedingte Arbeitsausfälle sind dabei Muskel- und Skelett-Erkrankungen. Sie schlagen mit 23,2 % aller Arbeitsunfähigkeitstage zu Buche, gefolgt von psychischen Erkrankungen mit 14,6 % [2].
Stundenlanges starres Sitzen stellt dabei die Wurzel allen Übels dar, belastet Bandscheiben und macht auf Dauer krank. Das müsste nicht sein, wie zahlreiche Studien untermauern:
Ein ergonomisch ausgestatteter Arbeitsplatz leistet Abhilfe, da er Bewegung zulässt. Die wichtigsten Elemente gesunden Arbeitens sind ein ergonomischer Bürostuhl und Schreibtisch. Beide gewährleisten eine komfortable Position des Oberkörpers und des Kopfes und verhindern krankmachende Fehlhaltungen. Eine Tatsache, die vor allem während COVID-19 und der damit verbundenen Arbeit von zu Hause zum gesundheitlichen Risiko für Mitarbeiter wie Firmen wird:
»Ist der Büroarbeitsplatz penibel nach ArbSchG und ArbstättV ausgestattet, so lässt der Heimarbeitsplatz vieler Angestellter Betriebsärzt:innen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.«
Der chaotische Zustand des Heimarbeitsplatzes vieler Mitarbeitenden macht krank und stellt überdies auch psychisch eine Belastung dar. Über kurz oder lang ist dieser Status Quo weder für Angestellte noch für verantwortungsbewusste Unternehmen tragbar, so die immer lauter werdenden Stimmen deutscher Gewerkschaften.
Die Zusammenfassung zahlreicher Fallstudien, die zum Nutzen von Investitionen in ergonomische Maßnahmen zusätzlich den Faktor der Produktivität untersuchten, kam zu einem einheitlichen Schluss: Im Durchschnitt ließ sich eine Produktivitätssteigerung von 20–30 % ausmachen. Das positive Kosten-Nutzen-Verhältnis für Maßnahmen, die Ergonomie am Arbeitsplatz betreffend, gilt in der wissenschaftlichen Literatur inzwischen als unumstritten. Die Ergebnisse zahlreicher Studien führen deutlich vor Augen, dass neben den gesundheitlichen Verbesserungen auch positive ökonomische Effekte einhergehen. Diese ergeben sich nachweislich durch eine Steigerung der Produktivität sowie die Reduzierung von Folgekosten, die aufgrund von Erkrankungen der Mitarbeitenden zwangsläufig entstehen [3].
»Investitionen in ergonomische Ausstattungen sind Investitionen, die sich auszahlen.«
Sind Arbeitsplätze nicht ergonomisch gestaltet, kann dies auch ein ausschlaggebender Faktor für hohe Mitarbeitendenfluktuation sein. Mitarbeitende, die ihre Zukunft bis zum Rentenalter im Blick haben, wünschen sich auch zu Hause einen Arbeitsplatz, der ergonomischen Standards entspricht. Die körperlichen Beschwerden und die daraus resultierenden psychischen Probleme, die andernfalls drohen, sind ein vermeidbares Risiko. Ergonomie trägt also zur Mitarbeitendenbindung bei und ist fester Bestandteil einer gesunden Firmenkultur.
[1] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg) (2020), Volkswirtschaftliche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit 2018.
[2] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg) (2014), Volkswirtschaftliche Kosten der Arbeitsunfähigkeit 2014.
[3] Unabhängige US-amerikanische Studien gehen bei ihren Berechnungen von einem Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1 : 2,3 bis 1 : 5,9 aus. Das bedeutet, dass für jeden aufgewendeten Dollar 2,3 - 5,9 Dollar durch reduzierte Krankheitskosten eingespart werden. Kramer und W. Bödeker, “Return on Investment im Kontext der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention,” (de).